Was machen Speicher?

von | Sep. 19, 2025

Stationäre Batteriespeicher übernehmen im Stromnetz drei Hauptfunktionen:

  1. Stabilität sichern – Sie halten Frequenz und Spannung im Netz. Schwankt die Last oder fällt Erzeugung abrupt weg, springen Speicher innerhalb von Millisekunden ein. Damit verhindern sie Blackouts und sichern die Qualität der Stromversorgung.
  2. Engpässe entlasten – Wenn Photovoltaik beispielsweise mittags zu viel Strom einspeist und Leitungen überlastet sind, laden Speicher überschüssige Energie auf. Abends, wenn der Verbrauch steigt, geben sie diese Energie wieder ab. So vermeiden sie kostspieligen Redispatch und überlastete Netze.
  3. Resilienz ermöglichen – Speicher können Netze nach Störungen oder einem Blackout neu aufbauen („Schwarzstart“). Sie bilden dann selbst Spannung und Frequenz, koppeln Verbraucher an und synchronisieren weitere Erzeuger. Damit sind sie ein Baustein für die Versorgungssicherheit.

Daneben übernehmen sie klassische Marktaufgaben: Strom zu günstigen Zeiten aufnehmen und zu teuren Zeiten abgeben („Arbitrage“). Das ist ökonomisch besonders spannend. Systemisch unverzichtbar werden Speicher jedoch durch sogenannte Systemdienste. Unter Systemdiensten versteht man alle technischen Leistungen, die nötig sind, damit ein Stromsystem stabil und sicher funktioniert – unabhängig davon, wie viel Energie insgesamt erzeugt oder verbraucht wird. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Frequenzhaltung (damit das Netz bei exakt 50 Hz bleibt),
  • Spannungsstützung (damit die Spannung in den Leitungen im Sollbereich bleibt),
  • Versorgungssicherheit im Störfall (etwa durch Schwarzstart oder Reserveleistung),
  • Netzstabilisierung durch Blindleistungsbereitstellung oder Entlastung überlasteter Leitungen.

Früher wurden diese Dienste fast ausschließlich von konventionellen Kraftwerken erbracht – automatisch, weil rotierende Generatoren eine gewisse Trägheit ins Netz brachten. In einer Welt aus Windrädern, Solaranlagen und leistungselektronischen Schnittstellen übernehmen Speicher diese Funktionen gezielt und präzise.

Wie machen sie es?

Ein Großspeicher besteht aus Batteriemodulen – meist Lithium-Eisenphosphat (LFP) – sowie einem Wechselrichter, dem sogenannten Power Conversion System. Hier liegt die eigentliche „Intelligenz“.

  • Frequenzregelung: Sensoren messen laufend die Netzfrequenz (Sollwert 50 Hz). Weicht sie ab, verändert der Wechselrichter sofort die Wirkleistung: Bei Unterfrequenz speist der Speicher Strom ein, bei Überfrequenz nimmt er Strom auf.
  • Spannungsstützung: Über die Blindleistungsregelung steuern die Wechselrichter die Spannung am Netzverknüpfungspunkt. Sie reagieren flexibel, egal ob die Batterie gerade lädt oder entlädt.
  • Grid-forming-Technologie: Moderne Speicher können selbst Spannung und Frequenz vorgeben. Sie agieren dann wie ein klassischer Generator – nur schneller und präziser. Diese Fähigkeit ist entscheidend für Schwarzstart und den Betrieb von Inselnetzen.

Eine Insellösung beziehungsweise ein Inselnetz liegt vor, wenn ein Netzteil – im Sinne eines Teilabschnitts des Stromnetzes – ohne Verbindung zum übergeordneten Verbundnetz betrieben wird. Das kann dauerhaft sein – etwa auf tatsächlichen Inseln oder in entlegenen Regionen – oder temporär, etwa nach einem Netzausfall. Damit ein Inselnetz stabil funktioniert, braucht es eine „führende Maschine“, die Spannung und Frequenz vorgibt. Früher waren das Generatoren, Dieselaggregate oder Gasturbinen. Heute können Großspeicher diese Rolle übernehmen: Sie starten die Insel, halten Sollwerte, koppeln weitere Erzeuger (PV, Wind, KWK) an und führen sie synchron. Genau hier zeigt sich, dass Speicher nicht nur Puffersysteme, sondern aktive Netzmaschinen sind.

  • Betriebsführung: Das Energiemanagementsystem (EMS) koordiniert, welche Dienste gerade Priorität haben: Reserve für Frequenzhaltung, Nutzung von Strompreisunterschieden oder Entlastung einer Netzleitung. Zusätzlich sorgt das Batterie-Managementsystem (BMS) für Sicherheit, Temperaturführung und Lebensdaueroptimierung.

Das Ganze geschieht in Bruchteilen von Sekunden – mit Wirkungsgraden über 90 %. Genau diese Geschwindigkeit und Präzision machen Speicher unverzichtbar.

Warum sind sie nötig?

Ohne Speicher verschärfen sich die Probleme:

  • PV-Mittagsspitzen führen zu negativen Börsenpreisen, Netze laufen heiß, Strom muss abgeregelt werden.
  • Abendliche Lastspitzen zwingen konventionelle Kraftwerke, teuer hochzufahren.
  • Störfälle können sich leichter zu regionalen Blackouts entwickeln, wenn keine schnelle Reserve greift.

Mit Speichern dagegen werden Netze stabiler, Erzeugung und Verbrauch besser gekoppelt, und die Gesamtkosten sinken. Ein Beispiel: Allein die Redispatch-Kosten lagen in Deutschland 2023 bei rund 4 Mrd. €. Speicher am richtigen Knotenpunkt reduzieren genau diese Ausgaben.

Politisch sind die Weichen gestellt: Speicherprojekte sind bis 2028 von Netzentgelten befreit, die Projektpipeline in Deutschland ist prall gefüllt. In Föhren (Rheinland-Pfalz) entsteht ein 55-MWh-Speicher, der nicht nur Marktteilnahme, sondern auch netzbildenden Betrieb und Schwarzstartfähigkeit testet – ein Labor im Realmaßstab. Genau so sieht die Zukunft aus.

Was Speicher nicht leisten und nie leisten sollten

Immer wieder wird in politischen Debatten, wie auch in manchen Medien fälschlicherweise behauptet, Batteriespeicher sollten die Funktion einer Langzeitbatterie übernehmen: Strom über Wochen oder gar Monate zu speichern, um Flauten zu überbrücken. Das ist ein Zerrbild und führt die Diskussion in die Irre.

Batteriespeicher können das nicht und sie müssen es auch nicht. Ihre Aufgabe ist die Kurz- bis Mittelfrist-Flexibilität: Millisekunden bis einige Stunden. Genau hier liefern sie unverzichtbare Systemdienste: Frequenz halten, Spannung stützen, Engpässe entlasten, Energie verschieben.

Für Langzeitspeicherung gibt es andere Technologien, die diese Rolle übernehmen müssen:

  • Wasserstoff (Power-to-Gas): Umwandlung von Stromüberschüssen in H₂, später Rückverstromung oder Nutzung in Industrie und Mobilität.
  • Methanisierung / synthetische Gase: Weiterverarbeitung zu speicher- und transportfähigem Methan, einsetzbar in vorhandenen Gaskraftwerken.
  • Pumpspeicher: bewährt, aber in Deutschland kaum noch ausbaubar.
  • Druckluft- und Flüssigluftspeicher: für längere Zeiträume, technisch noch im Ausbau.
  • Thermische Speicher: Umwandlung in Wärme, z. B. Salzspeicher, mit direkter oder späterer Nutzung.
  • Europäische Netzverbünde: Stromimporte und -exporte gleichen Dunkelflauten besser aus als jede lokale Batterie.

Die Wahrheit ist: Batterien sind das Nervensystem des Stromnetzes, kein saisonaler Energiespeicher. Wer sie als „Langzeitlösung“ darstellt, setzt ein falsches Bild in die Welt und blockiert damit die eigentliche Diskussion: Wie wir kurzfristige Systemstabilität heute mit Speichern sichern und parallel Technologien für saisonale Resilienz aufbauen.

Fazit

Speicher sind keine „Stromkisten“, die man irgendwo hinstellt und in denen man Strom quasi „für schlechte Zeiten“ speichert wie Frederik die Maus, Sonnenschein für den Winter speichert. Sie sind Netzmaschinen. Sie sichern Frequenz und Spannung, entlasten Engpässe in dem diese zwischenspeichern, machen den Wiederaufbau des Netzes möglich und schaffen Flexibilität zwischen Millisekunde und mehreren Stunden.

Gas- und andere Kraftwerke bleiben noch nötig aber als Reserve für seltene Langzeitszenarien. Damit sind Situationen gemeint, in denen Sonne und Wind über viele Tage oder gar Wochen nicht ausreichend liefern, sogenannte Dunkelflauten. In diesen Phasen reicht die Speicherkapazität von Batterien nicht aus, weil sie auf Minuten bis Stunden optimiert sind. Dann braucht es andere Lösungen: flexible Gaskraftwerke, die später mit Wasserstoff betrieben werden können, oder Langzeitspeicher mit Molekülen (z.B. Biogasanlagen). Solche Ereignisse treten selten auf – vielleicht nur wenige Male im Jahr –, sind aber kritisch genug, dass das System dafür vorbereitet sein muss.

Für den Alltagsbetrieb der Energiewelt von morgen tragen jedoch Speicher das Rückgrat und werden das in Zukunft auch für viele Stunden sein.

Ausblick

Im nächsten Artikel gehe ich der Frage nach, wie Großspeicher und Gaskraftwerke zusammenhängen:

  • Warum Speicher den alltäglichen Bedarf an Gas massiv reduzieren,
  • ob und wofür wir Gaskraftwerke trotzdem noch brauchen,
  • was Dunkelflauten im speziellen sind,
  • und warum politische Debatten oft genau an dieser Stelle verzerrt geführt werden.

Zusammengefasst: In Leo Lionnis Frederick sammelt die kleine Maus Sonnenstrahlen für die langen, dunklen Wintertage. Energiespeicher tun etwas Ähnliches: Sie bewahren Sonnenenergie – allerdings nur für kurze Zeiträume – und gleichen so die Schwankungen zwischen Erzeugung und Verbrauch aus.

Tags