Was hat es mit der „Sonnensteuer“ auf sich?

von | Juni 23, 2025

In Zukunft sollen auch Betreiber privater Solaranlagen ein Netzentgelt für den eingespeisten Strom entrichten. Das bedeutet, dass nicht mehr nur Stromverbraucher, sondern auch Einspeiser zur Finanzierung des bis 2045 geplanten Ausbaus der Stromnetze beitragen sollen.

„Sonnensteuer“ ist aktuell so etwas wie der neue „Heizhammer“. Der eingängige Aufreger wird gerade fleißig von den üblichen Verdächtigen, aber ebenso von Fans der Solarenergie, geteilt. Hinter der Aufregung stecken Überlegungen der Bundesnetzagentur, Besitzer von PV-Anlagen – und zwar auch die Besitzer von kleineren und kleinen Anlagen – an den Kosten für den durch die Transformation notwendigen Netzausbau zu beteiligen. Das ist auch schon das eigentlich Neue, denn größere Erzeuger zahlen die sogenannten Einspeise-Netzentgelte schon immer.

Ich finde diesen Gedankengang grundsätzlich völlig in Ordnung. Denn für das Einspeisen gibt es eine Einspeisevergütung. Und diese wird seit Mitte 2022 aus dem Staatssäckel bezahlt – heißt: von allen Steuerzahlern. Auch von denen, die kein finanzielles Interesse an einem Ausbau der erneuerbaren Energien haben. Vereinfacht gesagt: Oma Müller zahlt dem Nachbarn, der eine kleine PV-Anlage auf dem Dach oder Carport hat, über Steuern anteilig die Einspeisevergütung und über ihre Stromrechnung anteilig das Netzentgelt. So richtig richtig fühlt sich dieses System nicht an – auch wenn man wie ich ein großer Freund der erneuerbaren Energien ist und die entsprechende Transformation für unverzichtbar hält.

Deshalb sind mir auch die Gegenargumente nicht fremd: Stromerzeugung und Einspeisung dienen ja nicht den Zwecken des Einspeisers, sondern den Zwecken des Systems, insbesondere der Versorgung der Verbraucher – und zu diesen gehört auch Oma Müller.

Richtiger fühlt es sich für mich trotzdem an, wenn jeder, der finanziell von einem System profitiert, auch seinen fairen Anteil am Betrieb des Systems leistet, oder? Und hier liegt die Betonung auf „fair“. Denn was sich für den Nachbarn unfair anfühlen würde, ist, nachträglich die Spielregeln zu ändern. Alles, was diskutiert wird, kann meiner Meinung nach nur neue Anlagen betreffen und muss Bestandsanlagen außen vor lassen.

Da der weitere Ausbau des Netzes aber trotzdem in sehr vielen, aber nicht allen Regionen unabdingbar ist – so sind in einigen Regionen viele Erzeugungsanlagen entstanden, die regelmäßig abgeregelt werden müssen, da das Netz den Strom nicht mehr fassen kann, während in anderen Gebieten der Strom über weite Teile des Netzes dorthin gebracht werden muss – steckt die Bundesnetzagentur in einem Dilemma und ringt um eine Netzentgeltreform, die diejenigen, die Strom ins Netz einspeisen, auch an den Kosten für die Netze beteiligen. Ohne Netze kein Einspeisen, ohne Einspeisen keine Einspeisevergütung. Soweit so gut. Andererseits: Ohne private, kleine und kleinste PV-Anlagen keine Energiewende.

Diskutiert werden:

  • Arbeitspreis (€/kWh)
  • Leistungspreis (Leistungspreis €/kW und Zeitraum)
  • Kapazitätspreis (vertraglich vereinbarte Anschlussleistung €/kW)
  • Grundpreis (pauschal differenziert nach Netzanschlussebene)

Zusätzlich oder alternativ:

  • Baukostenzuschüsse (€/kW) – ich halte den Begriff in diesem Zusammenhang für missverständlich, denn den Zuschuss erhält man nicht, man muss ihn zahlen.

Arbeitspreis, Leistungspreis und Grundpreis sind aus meiner Sicht völlig falsche Wege. Auch Bestandsanlagen müssen grundsätzlich ausgenommen bleiben.

Das Arbeitspreis-Modell

Der Arbeitspreis bezieht sich auf die tatsächlich übertragene Energiemenge – also den Verbrauch oder die Einspeisung in Kilowattstunden (kWh). Es funktioniert wie eine Art „Mengen-Tarif“, bei dem Nutzer proportional zur Menge bezahlen, die sie aus dem Netz entnehmen oder ins Netz einspeisen. Das heißt: Wer sich autark versorgt (z. B. durch Photovoltaik), entnimmt weniger Strom aus dem Netz, nutzt aber trotzdem das Netz für Notfälle oder Einspeisung aus der eigenen Produktion. Unklar bleibt, wie die Netzinfrastruktur fair eingepreist wird. Außerdem: Ein Nutzer, der nur zu bestimmten Zeiten das Netz belastet oder stark einspeist, zahlt weniger, obwohl seine Lastspitzen erhebliche Netzkosten verursachen können.

Das Leistungspreis-Modell

Der Leistungspreis orientiert sich an der maximal angeforderten Leistung (Lastspitzen) und wird in Kilowatt (kW) berechnet. Hier zahlt der Betreiber nach der höchsten eingespeisten Leistung innerhalb eines Zeitraums (z. B. Monat oder Jahr), unabhängig von der tatsächlichen Energiemenge. Seltene Lastspitzen verursachen also hohe Kosten: Haushalte, die lediglich gelegentlich hohe Leistungen anfordern (z. B. durch kurzzeitige Verwendung von leistungsintensiven Maschinen), müssen hohe Preise zahlen, obwohl sie das Netz insgesamt kaum belasten. Das Modell benachteiligt außerdem Einspeiser erneuerbarer Energien, insbesondere bei Produktionseinbrüchen (z. B. geringe Solarstromproduktion im Winter). Kleinere Erzeuger, die keine durchgehende Einspeisung gewährleisten können, werden durch die Fixierung auf Spitzenlasten unverhältnismäßig belastet.

Das Grundpreis-Modell

Beim Grundpreis wird eine pauschale Gebühr für die Netznutzung erhoben, unabhängig von der tatsächlichen Strommenge oder Leistung. Jeder Nutzer zahlt unabhängig davon, wie viel Energie durch das Netz transportiert wird. Pauschalen sind ihrer Natur nach immer dem einen oder anderen gegenüber unfair. Vor allem gibt ein pauschales Entgelt keinerlei Anreiz, die Nutzung des Netzes zu optimieren und Lasten zu reduzieren.

Aber was denn dann?

Wenn es um den Netzausbau und die damit verbundenen Kosten geht, ist Netzdienlichkeit das Schlüsselwort. Statt der drei genannten Modelle müssen wir einen Weg finden, eine dynamische und flexible Netzentgeltstruktur zu entwickeln, die die Netzdienlichkeit berücksichtigt: Netzdienliches Lastmanagement.

Der Ansatz des Lastmanagements zielt darauf ab, die Stromnachfrage und -erzeugung besser zu steuern, um das Stromnetz zu entlasten und Schwankungen im Energieverbrauch auszugleichen. Es geht darum, die Anlagen so zu betreiben, dass sie sich an den aktuellen Bedarf des Stromnetzes anpassen. Das bedeutet beispielsweise: Steuerbare Verbraucher könnten ihren Stromverbrauch auf Zeiträume verlegen, in denen das Stromnetz weniger ausgelastet ist oder besonders günstige Strompreise bestehen. Flexible Einspeiser könnten ihren Strom zu Zeiten einspeisen, in denen die Nachfrage besonders hoch ist oder die Netzstabilität dies erfordert.

Was dazu neben politischer Entschlossenheit rein praktisch nötig ist, können Sie übrigens in meinem am 6. August erscheinenden Buch „Unter HOCHSPANNUNG“ genauer nachlesen. Jetzt habe ich es verraten. 

Eine weitere Möglichkeit wäre eine Regionalisierung der Netzeinspeiseentgelte: Regionen mit stärker belasteten Netzen könnten höhere Gebühren zahlen – ähnlich einem Verursacherprinzip. In Netzen mit Ausbaubedarf könnte also ein ortsabhängiger Baukostenzuschuss oder ein einmaliger ortsabhängiger Kapazitätspreis fällig werden. Hier lässt sich darüber nachdenken, diesen BKZ zurückzuerstatten, wenn entsprechende Netzkapazitäten freigegeben werden.

Diese Modelle reagieren flexibel auf bestehende Netzbedingungen und helfen dabei, massiv Kosten zu sparen. Denn das muss unser Ziel sein: die Effizienz des Stromnetzes steigern, die Integration erneuerbarer Energien erleichtern und die Kosten für den Ausbau der Infrastruktur so niedrig wie möglich halten.