Die geheime Superpower der Energiespeicher

von | Sep. 29, 2025

Batteriespeicher und ich –  die Leute fangen ja schon an über unsere Romanze zu reden. Aber Batteriespeicher sind einfach eine großartige Technologie. Über ihre Rolle für die Netzstabilität, ihre Fähigkeit, Frequenzen auszugleichen und Strom zu verschieben, habe ich – und haben viele andere – bereits geschrieben. Aber eine ihrer wichtigsten Fähigkeiten bleibt fast immer ein bisschen unter dem Radar: Großspeicher können am Netzanschlusspunkt regulieren. Und warum das ist eine großartige Sache, erkläre ich in diesem Artikel.

Netzanschlusspunkte – das Nadelöhr der Energiewende

Jede Erzeugungsanlage – ob Solarpark oder Windrad – braucht einen Netzanschlusspunkt. Das ist die Stelle, an der der Strom ins öffentliche Netz eingespeist wird. Bis Januar 2025 galt: Jede angeschlossene Anlage muss jederzeit so einspeisen können, als würde sie 100 % ihrer Nennleistung liefern. Das klingt sinnvoll, führte aber zu absurden Konsequenzen: Ein Solarpark „blockierte“ mit seiner vollen (theoretischen) Leistung den Anschluss – auch wenn er praktisch nur an rund 13 % der Stunden im Jahr wirklich auf Volllast läuft. Ein Windpark bringt es auf rund 33 %. Die restliche Zeit blieb der Anschluss unausgelastet. Die Folge war: Wir mussten immer neue Anschlusspunkte, Umspannwerke und Leitungen bauen – mit langen Genehmigungsverfahren und hohen Kosten.

Diese Vorschrift stammte aus einer Zeit, in der es keine flexiblen Speichertechnologien gab. Und jetzt ist es an der Zeit, nochmal eine Lanze für die Ampel zu brechen: Kurz vor den Wahlen zum 21. Bundestag hat sie noch einige relevante Neuerungen im Energierecht beschlossen. Unter anderem wurde eine Änderung des § 8 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beschlossen, welche zum 25. Februar 2025 in Kraft getreten ist. Seitdem darf nun mehr Erzeugungskapazität über einen bereits „belegten“ Anschluss gelegt werden. Man spricht auch von „Überbauung“ oder „Cable Pooling“.

Die Superpower der Speicher

Diese Änderung war überfällig, sinnvoll und nötig. Denn wenn ein Batteriespeicher direkt am Netzanschlusspunkt sitzt, kann er dafür sorgen, dass die kombinierte Leistung mehrerer Anlagen niemals die Nennleistung des Anschlusses überschreitet.

Das heißt:

  • Solar- und Windpark können sich denselben Anschluss teilen.
  • Erzeugungsspitzen oberhalb der zulässigen Leistung werden einfach in den Speicher geladen.
  • Bei Flaute kann der Speicher einspeisen und so den Netzanschlusspunkt gleichmäßiger auslasten.

Untersuchungen zeigen: So läßt sich die Auslastung eines bestehenden Netzanschlusspunkts von mageren 13–33 % auf über 50 % steigern. Ohne einen Meter zusätzliche Leitung. Eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) der Universität Köln hat berechnet: Wenn Netzanschlüsse effizienter genutzt und mit Speichern kombiniert würden, könnten im Verteilnetz jährlich (!) bis zu 1,8 Milliarden Euro an Ausbaumaßnahmen eingespart werden. Zum Vergleich: Der gesamte Investitionsbedarf für den Verteilnetzausbau bis 2045 wird auf rund 350 Milliarden Euro geschätzt. Jeder Schritt, der diesen Betrag reduziert, ist also mehr als ein Detail – es ist systemrelevant.

Die öffentliche Debatte über Speicher kreist viel zu oft um die dumme Frage: Können sie Deutschland durch eine Dunkelflaute bringen? Dabei liegt ihre eigentliche Superpower in etwas viel Bodenständigerem – aber Systementscheidendem: Sie machen unsere vorhandenen Netzanschlusspunkte doppelt so wertvoll und es ist jetzt an uns, dieses Potenzial zu heben. 

Ist jetzt alles gut?

Es ist zumindest besser als vorher. Vor allem aus Sicht von Unternehmern und Investoren. Aber! Ein wichtiger Player auf dem Energiemarkt wird in Deutscland immer noch regulatorisch ausgebremst, wenn es um Speichertechnologie geht.  Und das ist einer, der Einsparpotenzial und Deregulierung dringend nötig hätte. In Deutschland dürfen Netzbetreiber – und hier geht es vorallem um Verteilnetzbetreiber – Batteriespeicher nicht ohne Weiteres wie ein normales Netzbetriebsmittel einsetzen – also nicht wie beispielsweise ein Transformator oder eine Leitung. Auch nicht, wenn es betriebswirtschaftlich sinnvoll wäre. Das liegt daran, dass Speicher sowohl als Erzeuger gelten können (weil sie Strom ins Netz einspeisen), aber auch als Verbraucher (weil sie Strom aufnehmen). Netzbetreiber sind jedoch gesetzlich verpflichtet, neutral sein: Sie dürfen das Netz betreiben und ausbauen, aber keine eigene Stromerzeugung betreiben. Sonst bestünde die Gefahr, dass sie Wettbewerb verzerren, indem sie eigene Erzeugung bevorzugen. Die Folge: Netzbetreiber dürfen Speicher nur in Ausnahmefällen direkt einsetzen (z. B. für Netzstabilität, wenn keine andere marktwirtschaftliche Lösung existiert). In der Regel müssen Speicher von Dritten betrieben werden (z. B. Projektierer, Versorger, Fonds). Das freut zwar den Unternehmer in mir. Aber die Verteilnetzbetreiber, also auch hunderte kleiner Stadtwerke, werden so zum Bremsklotz gemacht – obwohl sie den größten Hebel hätten.

Es könnte besser sein

Die Ampel hat kurz vor Schluss geliefert und eine Tür geöffnet. Jetzt kommt es darauf an, dass auch schwarz-rot hindurchgeht. Speicher sind nicht die Antwort auf jede Frage – aber sie sind die Antwort auf viele. Und sie haben eine Superpower, die wir endlich ernst nehmen sollten: Sie machen die Energiewende schneller, günstiger und stabiler. Auf EU-Ebene wurde das bereits erkannt. Speicher werden eher als neutrale Netzinfrastruktur verstanden, nicht automatisch als Wettbewerbsrisiko. Die EU-Energiebinnenmarktrichtlinie erlaubt es nämlich grundsätzlich, dass Netzbetreiber Speicher betreiben, wenn sie ausschließlich netzdienlich sind und kein Marktverzerrungspotenzial besteht. Länder wie Großbritannien oder Spanien handhaben das deutlich pragmatischer: Dort werden Speicher von Netzbetreibern als normales Netzbetriebsmittel eingesetzt.