Warum der Einstieg bei TenneT richtig ist – aber kein Freifahrtschein
Wenn der Staat etwas gut kann, dann sollte er es auch selbst machen. Und wenn er etwas nicht gut kann, dann sollte er zumindest sicherstellen, dass niemand es gegen das öffentliche Interesse macht. Nach diesem einfachen Prinzip müsste unsere Energiepolitik eigentlich funktionieren. In der Realität tut sie das aber zu selten.
Die Entscheidung der Bundesregierung, sich an TenneT Germany zu beteiligen, ist deshalb ein Schritt, den ich grundsätzlich ausdrücklich begrüße. Stromnetze sind die kritische Infrastruktur unserer Zukunft. Ohne sichere und leistungsfähige Netze läuft keine Windkraftanlage, kein Speicher, keine Wärmepumpe und keine industrielle Transformation.
1. Netze sind kein gewöhnliches Geschäftsmodell
Das Stromnetz ist auf dieser Ebene eine Infrastruktur, die die Grundbedingung für Märkte, Versorgungssicherheit und industrielle Leistungsfähigkeit ist – ähnlich wie das Schienennetz. Der Bund besitzt das Unternehmen, das wiederum das Schienennetz betreibt und damit faktisch Eigentümer, Betreiber und Verantwortlicher für die Infrastruktur ist. Und das ja nicht umsonst.
Wenn wir als Staat nicht ohnehin sämtliche Stromnetze, mindestens die Übertragungsnetze selbst betreiben wollen – und ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht sicher, ob wir das, siehe Schienennetz, derzeit gut genug könnten, dann brauchen wir im besten Fall eine Sperrminorität. Die allerdings scheint in weiter Ferne. Der Bund plant, sich mit bis zu 7,6 Mrd. € an TenneT Germany zu beteiligen, was einer Minderheitsbeteiligung entsprechen würde. Eine Beteiligung ohne Einfluss darf es aber nicht geben. Eine Beteiligung mit wirksamen Rechten hingegen ist gelebte Verantwortung. Nur so lässt sich verhindern, dass zentrale Entscheidungen über Ausbaugeschwindigkeit, Investitionen oder strategische Prioritäten nicht nach Renditegesichtspunkten, sondern nach dem Bedarf der Volkswirtschaft getroffen werden.
2. Einfluss ja – aber mit klaren Regeln
Trotzdem dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben, dass staatliche Beteiligung automatisch Beschleunigung bedeutet. Politischer Einfluss kann helfen oder bremsen. In manchen Bereichen ist der Staat der Ermöglicher, etwa wenn er langfristige Planungssicherheit gibt oder mit günstiger Finanzierung die Kapitalkosten senkt. In anderen Bereichen kann er aber auch zum Bremsklotz werden, wenn Investitionen oder strategische Entscheidungen plötzlich parteipolitisch überlagert werden. Staatliches Handeln folgt anderen Logiken als unternehmerisches und ein Netzbetreiber braucht klare Linien, nicht politische Zickzack-Kurse.
Hinzu kommt die heikle Doppelrolle des Staates: Er ist Regulator, Gesetzgeber und nun potenziell Miteigentümer zugleich. Das ist ein Spannungsfeld, das Transparenz und saubere Governance verlangt. Wie unabhängig reguliert ein Staat ein Unternehmen, an dem er selbst beteiligt ist? Und wie trennen wir die berechtigten Interessen des Gemeinwohls von den finanzwirtschaftlichen Interessen eines Anteilseigners? Diese Fragen müssen beantwortet sein, bevor man glaubt, dass allein der Einstieg alles besser macht.
Zugleich müssen wir berücksichtigen, dass private Investoren sensibel reagieren. Wenn der Eindruck entsteht, dass Netzbetreiber zunehmend zu staatsnahen Unternehmen werden, könnte dies Kapital zurückhaltender machen und Kapital teurer. Das wäre genau das Gegenteil dessen, was wir brauchen. Denn die Netze der Zukunft benötigen enorme Investitionen, und es wäre fatal, wenn wir diese Investitionen durch ein Signal politischer Unklarheit verteuern.
3. Warum der Einstieg trotzdem notwendig ist
Und trotzdem bleibe ich bei meiner grundsätzlichen Einschätzung: Der Einstieg des Staates bei TenneT ist richtig. Nicht, weil der Staat alles besser macht. Sondern weil er Verantwortung übernehmen muss, wo Verantwortung nicht delegierbar ist. Wir reden hier nicht von Konsumgütern, nicht von Unternehmen, die kommen und gehen. Wir reden von kritischer Infrastruktur, ohne die die Energiewende nicht gelingt.
Wir sind mitten in einem historischen Umbau unserer Energieversorgung. Wir bauen Wind und Solar, wir elektrifizieren Industrie und Wärme. All das funktioniert nur, wenn das Netz mithält und vorausschauend weiterentwickelt wird.
Deshalb ist für mich klar: Wenn der Staat etwas gut kann, soll er es tun. Wenn er es nicht gut kann, soll er es zumindest mitgestalten können. Und im Fall der Übertragungsnetze heißt das: ein aktives und verantwortungsvolles Mitwirken muss das Ziel sein.
Der Staatseinstieg bei TenneT ist kein Allheilmittel, aber er ist ein notwendiger Schritt vorausgesetzt, wir nutzen ihn klug. Die Energiewende braucht verlässliche Netze, transparente Entscheidungen und die Garantie, dass das öffentliche Interesse nicht irgendwo im Abstimmungsprozess verloren geht. Wenn wir diese Balance finden, dann kann aus der Beteiligung mehr entstehen als ein finanzieller Vorgang – dann wird sie zum Baustein einer erfolgreichen Energiezukunft.