Spielen wir doch mal Speicher-Quartett

von | Sep. 19, 2025

Wenn es um Speicher geht, ist es aktuell ein bisschen wie früher beim Auto-Quartett. Es herrscht ein gewisses „höher, schneller, weiter“. Und so wie früher PS der absolute Killer waren, ist es heute bei Speicher die „Größe“. Groß ist ja irgendwie immer gut. Ähnlich wie es bei Windrädern immer darum geht, das höchste zu bauen. Aber P.S. waren ja nicht alles, manchmal konnte man mit Zylindern oder Hubraum ebenso gut punkten. 12 Zylinder – sticht. Die Älteren werden sich zumindest erinnern. 

Um die Analogie zu Ende zu bringen: Die Anzahl der PS sagt nicht immer etwas darüber aus, wie gut ein Fahrzeug seinen Zweck erfüllen kann – und ebenso ist es bei Speichern mit der „Größe“. Es kommt ja immer darauf an, was mit dem Fahrzeug beziehungsweise dem Speicher erreicht werden soll. 400 PS für einen Kleintransporter sind unnötig. Für einen 40-Tonner sind sie dagegen ein bisschen knapp. Wir nehmen mit: Unterschiedliche Motorisierungen für unterschiedliche Zwecke. Auch Speicher können unterschiedlichen Zwecken dienen. Sie wissen ja bereits aus den vorherigen Texten, dass es mit „Strom rein, Strom raus“ nicht getan ist. Wir groß ein Speicher sein soll, hängt also davon ab, was er tun soll. 

Viele Projekte gehen inzwischen über die reine Energiezwischenspeicherung hinaus und zielen darauf ab, Systemdienstleistungen wie Frequenzregelung, Spannungshaltung oder Trägheitsdienstleistungen zu liefern. Zusätzlich sollen Speicher zukünftig auch Grid-forming Funktionen übernehmen können — sie sollen also nicht passiv dem Netz folgen und „Hilfsdienste“ leisten, sondern aktiv das Netz stabilisieren. Diese Speicher sind nicht nur systemdienlich, sondern netzbildend. Netzbildend waren bisher klassische Großkraftwerke, weil ihre rotierende Masse (Turbinen, Generatoren) von Natur aus die technisch nötige Frequenz „vorgibt“ (50 Hz in Europa). Batteriespeicher sind von Natur aus eher netzfolgend („grid-following“): Sie orientieren sich an einer vorhandenen Netzfrequenz. Aber: Mit spezieller Leistungselektronik und Regelungstechnik können Speicher heute eben auch selbst netzbildend arbeiten – d. h. sie tun so, als wären sie ein Kraftwerk mit rotierender Masse, und geben die Taktfrequenz vor. Und genau damit machen sie wieder einen Teil konventioneller Kraftwerke überflüssig. Dabei zählt auch „Größe“.

Um Speicher besser verstehen zu können, muss man zunächst verstehen, was überhaupt hinter Größe steckt. Ist damit die Fläche gemeint, die Leistung, die Kapazität? Und was bedeuten diese Kennzahlen überhaupt. 

Relevante Kennzahlen – oder: was sticht? 

Relevante Kennzahlen für Speicher sind unter anderem Leistung und Kapazität. Schreiben Sie das besser mit, das ist Prüfungsrelevant.

Leistung – gemessen in Megawatt (MW) – beschreibt, wie schnell Energie entnommen oder eingespeist werden kann. Beispiel: 21 MW bedeutet, dass der Speicher maximal 21 Megawatt gleichzeitig ins Netz abgeben kann. Leistung beschreibt letztlich die „Stärke“ eines angenommenen „Stromstrahls“. Die Kapazität eines Speichers – gemessen in Megawattstunden (MW/h) – beschreibt, wie viel Energie insgesamt gespeichert werden kann. Die Kapazität gibt quasi den Tankinhalt an. Beispiel: 55 MWh bedeutet, dass man bei voller Leistung (21 MW) für etwa 2,5 Stunden Energie liefern könnte, bevor der Speicher leer ist, diese 2,5 Stunden sind die Entlade- oder Laufzeit. Jetzt aufpassen: Nach 2,5 Stunden wäre unser angenommener Tank komplett leer. Und an dieser Stelle funktionieren Speicher ein bisschen wie ein Dieselmotor. Den sollte man – im Gegensatz zum Benziner – auch nicht leerfahren., weil er sonst kaputt geht. Ein bisschen Energie sollte bei beiden Technologien immer im Tank bleiben. Wie viel Energie man aus dem Tank nehmen kann wird mit Speichertiefe beziehungsweise Entladetiefe (Depth of Discharge, DoD) beschrieben. Beispiel: Wenn ein Akku 100 MWh speichert, aber nur 80 MWh regelmäßig entladen werden dürfen, beträgt die Speichertiefe 80 %. Mit moderner Batteriemanagementsoftware und robusten Zellchemien (z. B. LFP) sind 95 %+ DoD technisch machbar. Bei einigen Projekten wird sogar bis zu 98 % DoD angegeben – das aber meist nur in Datenblättern, nicht im realen Langzeitbetrieb.

Vier-Stunden-Speicher

Unser Projekt in Föhren hat bei 21 MW Leistung und bei 55 MWh Kapazität  eine Laufzeit rund 2,5 Stunden. Das Projekt ist aber so ausgelegt, dass es später zu einem vollen „Vier-Stunden-Speicher“ erweitert werden kann. Damit meint man, dass der Speicher dann so dimensioniert ist, dass er seine volle Leistung über vier Stunden lang abgeben kann. Heißt konkret: Da der Speicher 21 MW Leistung hat, bräuchte er 84 MWh Kapazität, um als „Vier-Stunden-Speicher“ zu gelten. Aber warum gerade vier Stunden? Warum nicht erstmal dreieinhalb oder gleich acht? Weil der Zeitraum von vier Stunden inzwischen eine Art internationale Benchmark geworden ist ab der Speicher als besonders systemdienlich und marktgängig gelten. In vielen Energiemärkten (z. B. in den USA, Kalifornien, Australien, UK) gilt die Vier-Stunden-Kennzahl als Standarddefinition dafür, ob ein Speicher als gesicherte Kraftwerksleistung („capacity“) anerkannt wird. In Deutschland gibt es noch keine einheitliche regulatorische Definition (also kein Gesetz, das sagt: „Vier Stunden = Standard“). Aber Netzbetreiber, Projektentwickler und Banken orientieren sich zunehmend an dieser industriellen Benchmark, weil sie im Ausland schon etabliert ist und auch hier gebraucht wird, wenn Speicher Kraftwerksersatz sein sollen. In Studien (z. B. Fraunhofer ISE, Agora Energiewende) wird oft gezeigt, dass 2-Stunden-Speicher für kurzfristige Regelleistung reichen, aber 4-Stunden-Speicher entscheidend sind, um Erzeugungslücken über den Tagesverlauf zu überbrücken. Systemisch beruht diese Logig darauf, dass konventionelle Gaskraftwerke oder Kohleblöcke mehrere Stunden laufen und so Abendspitzen oder Windflauten überbrücken können. Damit Speicher diese Rolle übernehmen können, müssen sie ähnlich lange durchhalten – und „4 Stunden“ gilt als ein Mindestwert, der oft den kritischen Zeitraum zwischen Tag und Nacht abdeckt (z. B. wenn die Sonne untergeht, bevor Windstrom einsetzt).

Die „Vier-Stunden-Regel“ ist also keine gesetzlich fixierte Norm, sondern eine branchenweit etablierte Kennzahl aus internationalen Märkten. Sie beruht darauf, dass Speicher mit 4 Stunden Entladezeit nicht nur kurzfristige Schwankungen, sondern auch kritische Lastspitzen und Erzeugungslücken abdecken können – und deshalb „bankfähiger“ sind, weil sie verlässlichere Erlösströme erschließen. Denn wenn es darum geht, mit den Speichern Geld zu verdienen, dann gilt, dass Speicher mit nur 1–2 Stunden Laufzeit stark auf Regelleistungs- und Arbitrage-Märkte beschränkt sind, die zwar lukrativ sein können, aber eben auch unsicherer und stärker schwankend sind. Das mögen Banken nicht so gern. Vier-Stunden-Speicher können zusätzlich an Kapazitätsmärkten teilnehmen, wo Netzbetreiber für gesicherte Leistung bezahlen – und diese Fähigkeit schafft planbare Einnahmen. Das mögen Banken. Selbst mit identischer MW-Leistung liefert der 4h-Speicher stabilere und höhere Cashflows. Und das ist der Kern der „Bankability/Investorenlogik“ hinter der 4-Stunden-Benchmark. 

Ausblick

Banken sind wiederum wichtige Player auf diesem Areal der Energiewende, denn irgendwer muss die Speicher ja finanzieren. Unsere Investoren haben bewusst Mehrkosten (rund 10 %) für den netzbildenden Aufbau des Projekts akzeptiert, mit der Erwartung, dass sich ein Markt für Netzdienstleistungen etabliert. Speicher können Geld verdienen, indem sie Systemdienstleistungen anbieten. Derzeit lohnt es sich am meisten bei Frequenzregelung, denn die sind klar geregelt. Zukünftig wird der Markt breiter (Spannung, Momentanreserve, Blackstart) – dort sind aber politische und regulatorische Entscheidungen nötig, damit Betreiber verlässliche Einnahmen haben. Diese Märkte und die Anforderungen schauen wir im nächsten Artikel an – wenn Sie noch mögen.

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